Brandkatastrophen in Tunneln vermeiden

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Brandversuche zeigen die Rauchentwicklung auf, die die Selbstrettung bei Brandkatastrophen deutlich erschweren kann.

Brandkatastrophen in Tunneln sind besonders dramatisch und haben dazu geführt, dass viele Lehren aus solchen Unglücken gezogen worden sind.

Regelmäßige Tests, um Brandkatastrophen zu vermeiden

Regelmäßig testet der ADAC verschiedene Straßentunnel in Europa in puncto Sicherheit. Rund 20 Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie 2004/54/EG über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz sind nach wie vor in vielen Tunneln erhebliche Mängel vorhanden. Die Tester stellten die größten Defizite im Bereich der Ereignisbeherrschung fest, zu der Videoüberwachung, Lautsprecher oder Feuerlöscher und Notruftelefone zählen, die teilweise defekt oder nicht vorhanden gewesen sind. Ebenso brisant ist das Thema Selbstrettung, also die Ausstattung mit Pannenbuchten, Notausgängen oder deren eindeutigen Kennzeichnung und Wegführung. Hier sind die Hälfte der kontrollierten Tunnel beanstandet worden.

Ereignisse in Tunneln erkennen und bewerten

Die schnelle und präzise Erkennung von Zuständen, die von der Norm abweichen, innerhalb eines Tunnels ist Voraussetzung für eine effektive Ereignisbewältigung. Hierzu gibt es in der Regel eine Vielzahl an Detektionssystemen in Abhängigkeit von der Länge und der Beanspruchung eines Tunnels durch Fahrzeuge. Die technologischen Fortschritte dienen vor allem der Verkürzung der Detektions- und Meldezeiten sowie der genauen Lokalisierung des Ereignisorts. Im Rahmen des Projekts „Schutz kritischer Brücken und Tunnel im Zuge von Straßen“ (Skribt), das Teil des Programms der Bundesregierung „Forschung für die zivile Sicherheit“ gewesen ist, konnte gezeigt werden, dass eine Detektionsdauer von maximal zehn Sekunden deutlich zur Sicherheit gefährdeter Personen beitragen kann. Dafür eignet sich neben Brandmeldesystemen auch die Videodetektion mit automatischer Bildauswertung. Hierüber sind Ereignisse wie Falschfahrer, Rauchentwicklungen, liegen gebliebene Fahrzeuge bei entsprechender Einbindung, rasch und lückenlos zu erkennen, ebenso betriebliche Störungen.

Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die Aufschaltung vieler Kameras auf eine Verkehrsleitstelle durchaus eine Belastung für die Nutzer darstellen kann, wenn zu viele Bildschirme oder Kameras im Blick behalten werden müssen. Eine automatisierte Ereigniserkennung kann da Abhilfe schaffen, doch hängt es hier an der Parametrierung solcher Systeme. Fehlalarme können häufiger auftreten, wenn das System so konfiguriert worden ist, möglichst viele Störungen oder Abweichungen vom Normalzustand zu erkennen. Sollte das System weniger „empfindlich“ eingestellt sein, kann dies wiederum zur Nichterkennung durchaus relevanter Ereignisse führen. Die Kunst besteht also darin, relevante, eindeutig identifizierbare Ereignisse zu bestimmen und diese durch die Kameras oder die Software identifizieren zu lassen. Ebenso ist zu berücksichtigen, inwieweit neue Fahrzeug- und Antriebsmodelle wie E- oder Flüssiggasautos in überwachungstechnische Überlegungen miteinbezogen werden sollten. Wärmebildkameras können beispielsweise erkennen, ob Motoren oder Bremsen vor Tunneleinfahrten bei Fahrzeugen wie LKWs heiß gelaufen sind und ein potenzielles Risiko darstellen. Sollten solche Technologien eingesetzt werden, müssen sie auch Fahrzeugneuentwicklungen mit berücksichtigen.

Umdenken bei der Überwachungstechnik?

Videoüberwachung in Straßentunneln ist keine neue Technik, sondern gab es auch bereits vor der EU-Richtlinie 2004/54, die solch eine für Tunnel ab einer bestimmten Länge fordert. Doch seitdem hat sich in der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland mit den „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) die Technik kontinuierlich weiterentwickelt. Viele Tunnel setzen nach wie vor auf analoge Videoüberwachungssysteme, die allerdings mit der Entwicklung der Verkehrsleitstellen nicht immer Schritt halten konnten. So muss etwa das analoge Videosignal zur Aufschaltung mehrfach analog/digital gewandelt werden, mit oftmals entsprechenden Qualitätsverlusten.

Ebenso besteht das Problem der mangelnden Kompatibilität der Systeme verschiedener Hersteller untereinander, etwa bei der Aufschaltung digitalisierter Streams auf Videokreuzschienen eines anderen Herstellers. Die Einbindung moderner Videotechnologie mit IP-Kameras bei der Neukonzeptionierung oder Sanierung von Tunneln scheint daraus folgend der logische Schluss. Denn die IP-Videosysteme bieten gegenüber analogen viele Vorteile. Dazu gehört etwa der Zugriff auf die Videostreams von überall, solange das Netzwerk intakt ist. Die hohe Auflösung der Kameras ermöglicht es, mehr Details des Geschehens zu erkennen. Auch administrative oder wartungstechnische Aufgaben werden deutlich erleichtert, etwa durch Fernzugriffe, Parametrierung und Überprüfung von Einstellungen und Funktionsfähigkeiten. Und bei der Umsetzung sind Technologien wie PoE (Power over Ethernet) ein klarer Vorteil, wenn es darum geht, den Verkabelungsaufwand zu reduzieren. Gleichwohl gilt es, verschiedene Faktoren im Auge zu behalten, damit solche Systeme den Anforderungen entsprechend arbeiten können. Ein wichtiger Punkt ist etwa das Problem, dass bei über das WAN (Wide Area Network) angebundene IP-Kameras die Verbindung vom Videomanagementsystem zur Kamera immer neu aufgebaut werden muss. „Das führt dann dazu, dass der Operator für weniger Sekunden vor einem Bluescreen sitzt, bis das Bild verfügbar ist“, erläutert Thomas Noack, Dipl.-Ing. bei Rücker + Schindele. Bei einem zyklischen Durchschalten von Kameras an einer Überwachungsstelle wird die Übertragung von einer Kamera erst ab- und zur nächsten aufgebaut, was die Ausfallzeit verdoppelt. Dieses Problem gibt es bei analogen Kameras, die per lokalen Videokreuzschiene über einen permanenten Kanal bis zum Videowandrechner in der Überwachungsstelle angeschlossen sind, nicht. Eine Lösung des Problems besteht beispielsweise darin, zwei Streams gleichzeitig aufzubauen, und einen erst umzuschalten, wenn der andere vollständig steht, um die Ausfallzeit zu vermeiden. Dies stellt Anforderungen sowohl an die verfügbare Bandbreite als auch an das angebundene Videomanagementsystem (VMS).

Tunnel, Kritische Infrastrukturen und Cybersicherheit

Als Bestandteile des deutschen Fernstraßennetzes sind Brücken- und Tunnelbauwerke aufgrund ihrer Bedeutung im Straßennetz besonders kritische Infrastrukturbauwerke. Der Einsatz moderner IP- und Digitaltechnik erfordert auch hier eine entsprechende Absicherung aller angebundenen IT-Systeme gemäß den Anforderungen durch das BSI. Denn von möglichen Ausfällen kann nicht nur die Videoübertragung, sondern auch die Kommunikationstechnik betroffen sein, was im Ernstfall zu schwerwiegenden Verzögerungen bei der Ereignisbewältigung führen kann. „Bezogen auf die Videoüberwachung muss daher der gesamte Übertragungsweg von den Kameras bis hin zu den Monitoren und Rechnern in der Verkehrsleitstelle betrachtet werden, also Kabelwege, Verteiler oder Knotenpunkte und Rechenzentren“, erklärt Noack. Wie in anderen Fällen zur Absicherung von IT-Systemen auch, können geschlossene Netzwerke (VPN), Begrenzung der Fernwartungszugänge, Absicherung mit Firewall und Verschlüsselung der Videostreams eine Lösung sein. Und natürlich müssen Mitarbeiter für diese Themen sensibilisiert werden, denn immer noch stellen Phishing-Mails und ähnliche Angriffe, die die Mitarbeiter ins Visier nehmen, mit die größte Gefahr dar. Dass es sich hier um ein nicht zu vernachlässigendes Thema handelt, zeigt etwa der Workshop zum Thema „Steigerung der IT-Sicherheit von Verkehrs- und Tunnelleitzentralen“, der im Rahmen des Forschungsprojektes Cyber-Safe 2016 bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) stattgefunden hat. Betreiber von Verkehrs-, Tunnel- und ÖPNV-Leitzentralen tauschten Erfahrungen aus und wurden auf die Gefahren durch Cyberangriffe auf IT-Systeme aufmerksam gemacht. Ziel solcher Veranstaltungen ist es, Handlungshilfen zu ermitteln, Wirksamkeit bisher genutzter Schutzmaßnahmen zu bewerten und die Systeme in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Cyberangriffe zu stärken.

Zentralisierung als Lösung?

2018 wurde die Autobahn GmbH des Bundes gegründet, mit dem Ziel, Finanzierung und Verwaltung ab dem 1. Januar 2021 zu zentralisieren. Bislang sind die Bundesländer für die etwa 13.000 Autobahnkilometer und Bauwerke verantwortlich, zu denen auch die Tunnel gehören. So hat Hessen mit „Helis“ ein einheitliches Leitsystem für Straßentunnel 2014 eingeführt, an das nach und nach die Tunnel angebunden werden, mit den entsprechenden Um- und Nachrüstungen auf Stand der Technik. Wenn die neue GmbH die Verwaltung, Planung und Modernisierung aller Autobahnen und Fernstraßen samt Brücken und Tunneln übernimmt, stellt sich die Frage, wie schnell eine Migration neuer und alter Systeme umgesetzt werden kann und ob eine Vereinheitlichung überhaupt zielführend ist. Denn dies bedeutet eigentlich, dass alle Systeme zueinander kompatibel sein müssen oder es würde nur noch ein- oder wenige Anbieter mit entsprechenden Technologien zum Zuge kommen. Denn bislang gibt es bundesweit ein System aus Technologien (analog wie digital), die auf das jeweilige Tunnelbauwerk abgestimmt sind. Es bleibt daher abzuwarten, ob der angestoßene Weg der Zentralisierung von Prozessen in Bezug auf die Verantwortlichkeiten wirklich zu einer verbesserten Planung und Umsetzung bei gleichzeitiger angestrebter Kostenersparnis führt.

Hendrick Lehmann, freier Mitarbeiter PROTECTOR


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