Private Sicherheitsdienste nicht überall systemrelevant

Lesen Sie den originalen Artikel: Private Sicherheitsdienste nicht überall systemrelevant


Bernd Herkströter kommentiert die Anerkennung der privaten Sicherheitsdienste als systemrelevant, was aber nicht in allen Bundesländern gleich ist.

Die privaten Sicherheitsdienste haben Grund zur Freude: Endlich wurde ihre Tätigkeit als systemrelevant anerkannt. Der Vorsitzende des Bundesverbands Mittelständischer Werte-Logistiker e.V. (BMWL) Bernd Herkströter kommentiert den Beschlussvorschlag „Bund“ zur Eindämmung von Covid-19.

Private Sicherheitsdienste unterstützen Bundesbank und Geschäftsbanken

Vor wenigen Tagen konnten Sie vermelden, dass die privaten Sicherheitsdienstleister jetzt als systemrelevant eingestuft worden sind. Das trifft allerdings nicht auf alle Bundesländer zu. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Bernd Herkströter: Mit dem Beschlussvorschlag „Bund“ zur Eindämmung von Covid-19 sind private Sicherheitsdienstleistungen in die Liste der Tätigkeiten mit Systemrelevanz aufgenommen. Das an sich ist für die Anerkennung unserer Branche ein wichtiger Tatbestand. Wie wir allerdings im Zusammenhang mit der Coronakrise schon häufiger erlebt haben, setzen die Bundesländer Beschlussvorschläge auf Bundesebene sehr unterschiedlich um. Das gehört zum gelebten Föderalismus. So gibt es Bundesländer, die von dem eingangs erwähnten Beschlussvorschlag gar nichts übernommen haben. Hierzu zählen zum Beispiel das Saarland und Rheinland-Pfalz. In Nordrhein-Westfalen und Berlin ist unsere Branche explizit genannt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass einige Bundesländer auf die Liste Kritischer Infrastrukturen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) verweisen. Hier könnten dann die Wissenden uns Geld- und Wertdienstleister im Sektor Finanz- und Versicherungswesen verorten. Allerdings nur dann, wenn sie wüssten, dass die Bundesbank und die Geschäftsbanken zur Sicherstellung der Bargeldversorgung der Bevölkerung auf unsere Dienstleistung angewiesen sind. Wie sollte ansonsten das Bargeld aus dem stark reduzierten Bundesbankfilialnetz in der Fläche verteilt werden, wenn nicht durch uns? Wer könnte Geldausgabe- und Einzahlautomaten bestücken, die Tageseinnahmen des Einzelhandels gesichert abholen, das Bargeld auf Echtheit und Kreislauffähigkeit überprüfen, wenn nicht wir?

Alles in allem gibt es leider keine bundesweit einheitliche und verbindliche Zuordnung der privaten Sicherheitsdienstleistung als systemrelevant; aber wir waren noch nie so nah dran!

Anerkennung als systemrelevant wichtig für Mitarbeiter

Gerade für Unternehmen, die bundeslandübergreifend arbeiten, ist das natürlich ein Hemmnis. Wie könnten die Verbände denn noch auf die Politik einwirken, um hier eine bundesweite Lösung zu erreichen?

Für bundeslandübergreifend tätige Unternehmen ist der Föderalismus schon ein wenig als Bremsklotz zu verstehen. Gerade für den Mittelstand bedeutete es, mit jeder Landesregierung eine eigene Regelung zu treffen, um beispielsweise für die Kinder unserer Mitarbeiter einen Platz in der Notbetreuung zu rechtfertigen. Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir gemeinsam mit den Verbänden der Sicherheitswirtschaft in den zurückliegenden Wochen sehr erfolgreich die Interessen unserer Branche gegenüber den politischen und behördlichen Entscheidern vertreten haben. Leider ist es uns allen nicht gelungen, den Krisenstab der Bundesregierung davon zu überzeugen, dass die privaten Geld- und Wertdienstleister für die Bargeldversorgung Deutschlands eine neuralgische Bedeutung haben. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir mit der Aufnahme in den Beschlussvorschlag „Bund“ tatsächlich einen wichtigen Schritt bei der Branchenanerkennung gemacht haben.

Ich denke, dass insbesondere den politischen und behördlichen Entscheidern immer klarer wird, wie wichtig die Rolle private Sicherheitsdienste bei der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung unterhalb der Schwelle hoheitlichen Handelns geworden ist.

Die Aufgaben für Sicherheitsdienstleister verändern sich ja gerade: Fußballspiele oder sonstige Großveranstaltungen entfallen, dafür fehlt Personal in anderen Sektoren wie Handel oder Krankenhäuser. Was raten Sie Ihren Mitgliedern, wie man das vorhandene Personal optimal „umschichten“ kann?

Nun ja, diejenigen BMWL Mitglieder, die auch Personaldienstleistungen jenseits von Geld- und Wertdienstleistungen anbieten, erleben möglicherweise Ähnliches, wie wir bei der Wach- und Schließgesellschaft Wuppertal. Bei einigen Bestandskunden werden Anforderungen auf Grund von Kurzarbeit oder Betriebseinstellung reduziert. Dafür kommen auf Grund der Coronabestimmungen neue Aufgaben hinzu. Ob vor Super- oder Baumärkten und in Krankenhäuser, in öffentlichen Einrichtungen oder bei Versorgungsunternehmen, private Sicherheitsdienste sind gefragt. Auch hier haben wir als Branche eine gute Möglichkeit, mit qualitativ hochwertigen Dienstleistungen das Branchenbild weiter zu verbessern.

Potenzial bei der Ausbildung für die Sicherheitswirtschaft

Neues Personal kann im Moment nicht gewonnen werden beziehungsweise die IHK-Unterrichtungen und Sachkundeprüfungen für Sicherheitspersonal wurden ausgesetzt. Welche Möglichkeiten gäbe es Ihrer Meinung nach? Sollte „unqualifiziertes“ Personal eingesetzt werden? Oder sollte es Alternativen zu den bisherigen Ausbildungsträgern geben?

Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Allerdings weniger, weil wir das Personal nicht gewinnen, sondern vielmehr, weil ein Träger des öffentlichen Rechtes, der zudem ein Ausbildungsmonopol für unsere Branche innehat, dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Als Wirtschaftsverband müssen wir mit den Auswirkungen umgehen, aber selbstverständlich unterstützten wir die Arbeitgeberverbände der Sicherheitswirtschaft in der Neubewertung und -ausrichtung der Ausbildung für die Sicherheitswirtschaft in Deutschland. Hier scheint Potenzial zu liegen!

Was sagen Sie außerdem zur momentanen „Ächtung“ des Bargeldes? Der Einzelhandel fordert die Kunden ja verstärkt dazu auf, bargeldlos zu bezahlen. Macht sich das schon bei Ihren Mitgliedsunternehmen negativ bemerkbar?

Es ist tatsächlich sehr interessant, dass insbesondere der Deutsche Einzelhandel in der Coronakrise und mit dem Argument des Mitarbeiterschutzes für den unbaren Zahlungsverkehr wirbt. Und das, obwohl die Deutsche Bundesbank bereits am 17. März aktiv über die geringe Wahrscheinlichkeit einer Virusübertragung durch Bargeld informiert hatte. Ob da diverse „Flatrate-Angebote“ von Kartenanbietern oder anderen bargeldlosen Zahlungsdiensten dahinterstecken, bleibt Spekulation.

Es wird jedoch deutlich, dass das Verhalten des Einzelhandels wenig geeignet erscheint, um als Redundanzsystem zu den Geschäftsbanken in Betracht zu kommen. Und wenn wir etwas genauer hinschauen, dann bemühen sich auch die Geschäftsbanken seit vielen Jahren nicht mehr um das Bargeld. Ganz im Gegenteil, sie führen geradezu einen Krieg gegen das Bargeld. Und das, obwohl Bargeld das einzig gesetzlich anerkannte Zahlungsmittel in Deutschland und Europa ist. Es ist zudem günstig und an der Kasse auch noch am schnellsten. Zur Zeit scheinen die Geld- und Wertdienstleister zu den wenigen zu gehören, die jenseits der Bundesbank ein ernsthaftes Interesse an der Versorgung des Bürgers mit Bargeld haben.

Dennoch werden wir dies weiterhin tun, weil Bargeld unser Geschäft ist und wir auf diese Weise die individuelle und unternehmerische Selbstbestimmtheit sowie Anonymität der Bürger in Deutschland sicherstellen!


Lesen Sie den originalen Artikel: Private Sicherheitsdienste nicht überall systemrelevant