Sichere Kompromisse für Museen finden

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Blick in das Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbes.

Sicherheitskonzepte für Museen beruhen häufig auf Kompromissen, die aber dennoch sicher sein müssen. Diese Konzepte werden besonders dann auf den Prüfstand gestellt, wenn es zu Diebstählen kommt, wie zuletzt der brutale
Raubüberfall auf das Grüne Gewölbe. Karola Richter, stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises Gebäudemanagement und Sicherheit des Deutschen Museumsbundes, beschreibt Sicherheitskonzepte in Museen.

Frau Richter, Sie haben auch die Referatsleitung Gebäudemanagement des Landesmuseums Württemberg inne. Was habe Sie am Morgen des 25. Novembers nach Bekanntwerden des Raubüberfalls als erstes getan?

Karola Richter: Erst einmal war ich geschockt und habe, wie wohl alle, intensiv recherchiert, was genau vorgefallen war. Die Museen des Landes Baden-Württemberg hatten sich bereits vor ungefähr zwei Jahren einem intensiven Sicherheitschecks unterzogen und Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Sicherheit benannt und bearbeiten diese Themen seither. Daher kennen wir unsere Situation sehr gut und verbessern diese stetig, gerade auch im Hinblick auf die Vorgehensweise der Täter in Dresden.

Jede Schutzmaßnahme kann überwunden werden

Für einen Abschlussbericht ist es momentan noch zu früh. Worin sehen Sie aber die Hauptursache für diesen schnellen und effizienten Raub?

Ursachen zu benennen, dafür ist es sicherlich zu früh. Es handelt sich allem Anschein nach um eine Tat des organisierten Verbrechens, das mit umfänglicher Vorplanung und massivem physischen Gewalteinsatz durchgeführt wurde. Dieses Gefahrenszenario, ohne Rücksicht auf den Erhalt der Objekte nur mit dem Blick auf die Sachwerte und die Zweitnutzung, gilt es zukünftig noch stärker bei der Planung zu berücksichtigen. Allerdings ist das eine nach oben offene Spirale. Ich glaube dass jede Schutzmaßnahme mit ausreichend großem Energieaufwand überwunden werden kann.

Ist man bei Thema Sicherheit etwas nachlässig geworden, weil es in letzter Zeit so wenige Kunstdiebstähle gegeben hat?

Mit Sicherheit nein. Dresden hat eine neue Dimension eröffnet, was das Thema des Einsatzes technischer Mittel angeht. Das wahrscheinlich verwendete Gerät ist so massiv, dass man sich davor letztendlich nicht schützen kann. Würde man dieses Risiko eliminieren, müsste man Kulturgutsammlungen in Bunkern oder in Tresorräumen verschließen – und das widerspräche dem Zweck und der Aufgabe von Museen, neben dem Sammeln, Forschen und Erhalten von Kulturgut dieses auch einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

Kompromisse finden

Worin liegt überhaupt die größte Schwierigkeit, Museen abzusichern?

Die größte Herausforderung ist die kriminelle Energie, und die war in Dresden sehr hoch. Im Praktischen aber besteht die Herausforderung in der Abwägung der unterschiedlichen Anforderungen. Wie gesagt, Museen sollen keine Bunker sein, sondern sie sollen ihre Sammlungen dem Besucher präsentieren. Dabei sind gleichzeitg Fragen des Denkmalschutzes, des Brandschutzes, der Barrierefreiheit und der Vermittlung, der konservatorischen Anforderungen – und dann eben auch der Sicherheit – zu berücksichtigen.

In der Abwägung zwischen all diesen Anforderungen müssen Kompromisse gefunden werden, die vor allem technisch umsetzbar und auch noch finanzierbar sind. Das ist der tägliche Versuch der Quadratur des Kreises.

Was geht im Zweifelsfall vor? Sicherheit oder beispielsweise Denkmalschutz?

Hierbei kann man nicht von entweder oder sprechen, sondern von der bestmöglichen Abstimmung aufeinander. Der Denkmalschutz fußt auf Landesgesetzen und betrifft vorrangig die Gebäude. Die Sicherung vor unerlaubtem Zugriff erfolgt im Umfeld des Sammlungsgutes. Hier können also im Idealfall mehrere physische und operative „Schutzschichten“ um die Sammlungsobjekte herum geschaffen werden.

Museen entwickeln individuelle Sicherheitskonzepte

Wie werden Sicherheitskonzepte für Museen überhaupt erstellt? Gibt es entsprechendes Fachwissen in den Häusern oder wird auf externe Experten zurückgegriffen?

Das hängt von der Größe der Einrichtung ab, aber in der Regel entwickeln auch große Häuser ihre Sicherheitskonzepte in Zusammenarbeit mich Sachgutachtern, staatlicher Behörden und wirtschaftlichen Anbietern. Ein solches Sicherheitskonzept lebt aber auch und wird im Laufe der Zeit immer wieder unter aktuellen Gesichtspunkten auf den Prüfstand gestellt. Dabei ist es sicher wichtig, die entsprechende Kompetenz in den Häusern zu wissen.

Welche sicherheitstechnischen Komponenten sollen unbedingt vorhanden sein? Die Videoüberwachung im Grünen Gewölbe konnte ja leider nicht zur Täteridentifikation beitragen, da die Bildqualität mangelhaft war.

Hier hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden, und man legt heute wieder stärkeren Wert auf die Verzögerung des Zugriffs. Es müssen also möglichst viele, widerstandsfähige physische Barrieren bestehen, um den Zugriff zu verzögern. Das ist in der Regel eine sehr effiziente Schutzweise. Die Verbesserung der elektronischen Maßnahmen wie hochauflösende Videokameras mit IT-gestützter Videoanalyse kann hier die Effizienz noch steigern.

Bewaffnung des Sicherheitspersonals ist keine Lösung

Das anwesende Sicherheitspersonal hat laut Polizei alles richtig gemacht. Müssten hier die Handlungsbefugnisse aber noch erweitert werden? Sollte Personal tatsächlich bewaffnet werden?

Das halte ich für einen sehr zweifelhaften Ansatz, der viele andere Probleme schaffen würde. Wildwest-Fantasien von rauchenden Colts sind vielleicht subjektiv und spontan beruhigend, wenn man sie sich im Detail durchdenkt sind sie hochgradig riskant. Im schlimmsten Fall erlebt man dann den Diebstahl von Kulturgut gepaart mit Kidnapping oder schlimmstenfalls Mord. Wenn man die Bilder der Videoüberwachung von Dresden anschaut, kann man sich viel vorstellen.

All diese Maßnahmen haben ihren Preis. Glauben Sie, dass die Sicherheitsbudgets künftig größer ausfallen werden?

Ich habe keine Glaskugel, mit der ich in die Zukunft schauen kann. Die Anforderungen an die Träger der öffentlichen Museen, seien sie städtisch oder staatlich, wachsen beständig, und die Kultur ist nun mal eine freiwillige Leistung, daher wird sie in den Haushaltsverhandlungen immer die Position sein, bei der man eher spart – auch wenn sich alle wünschen, dass es anders besser wäre. Fragt man sich dann, zu welchen Lasten die Etaterhöhung durchgeführt werden soll, ist dies die Diskussion, der sich jeder Kulturpolitiker stellen muss – und das ist in der Tat keine einfache Position. Aber die Ereignisse in Berlin und Dresden haben sicherlich zu einer weiteren Sensibilisierung auch bei den Kämmerern und Finanzministern geführt.


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