So gelingt Videoüberwachung im Öffentlichen Raum

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Das Prinzip der Gefahrenabwehr in der Kombination aus Videokameras und LED-Strahlern zeigt sich anschaulich am Saarbrücker Hauptbahnhof.

Viele Bürger, aber auch Datenschutzbeauftragte, die Politik und Medien stehen der Videoüberwachung, insbesondere im Öffentlichen Raum kritisch gegenüber. Die Gewährleistung der Sicherheit mittels Videoüberwachungslösungen stellt die Verantwortlichen fast zwangsläufig vor zahlreiche Herausforderungen. Ein transparentes und präzises Konzept ist daher Voraussetzung für den Erfolg und Akzeptanz der Maßnahmen.

Sicherheit im Öffentlichen Raum mittels Videoüberwachung erhöhen

Die Überwachung des Öffentlichen Raums in Städten mit Videosystemen ist mittlerweile in Deutschland keine Ausnahme mehr. Der Grund für solche Maßnahmen besteht in der Verbesserung der Sicherheit für die Bürger an spezifischen Punkten in einer Stadt, die sich im Vergleich zu anderen Stadtteilen zu Kriminalitätsbrennpunkten entwickelt haben.

„Die Ziele der Videoüberwachung sind eine Gefahrenfrüherkennung zu ermöglichen, potenzielle Straftäter abzuschrecken, im Ernstfall möglichst schnell und zielgerichtet Einsatzkräfte zum Tatgeschehen zu entsenden, aber auch Täter zu identifizieren, das Tatgeschehen nachzuvollziehen und damit insgesamt das Sicherheitsgefühl beim Bürger zu erhöhen“, so Jörg Klein von der Projektgruppe des Landespolizeipräsidiums.

Doch was in der Theorie vergleichsweise einfach klingt, bedarf in der Praxis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema, angefangen bei der Frage, was mit der Maßnahme erreicht werden soll bis hin zu den Anforderungen an die Technik, die Ausschreibung und die technische Umsetzung sowie die spätere Bedienung des Systems.

In Saarbrücken wurde Ende 2016 das Projekt zur Videoüberwachung bestimmter städtischer Bereiche durch das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport ins Leben gerufen. Der Grund hierfür ist die überproportionale Zunahme von Straftaten an bestimmten Orten gewesen, die durch die Videoüberwachung reduziert werden soll. Die Rechtsgrundlage zur Durchführung der Videoüberwachung (§ 27 Saarländisches Polizeigesetz) fordert einen sogenannten „gefährlichen Ort“, der insbesondere mit einer erkennbaren Konzentration von Fällen der Straßen- und Betäubungsmittelkriminalität belegt werden muss. Hierzu wurde für zwei Bereiche, einmal um die Johanneskirche und ferner um den Hauptbahnhof, ein detaillierter und genauer Vergleich mit den angrenzenden Räumen und deren Kriminalitätsbelastung erhoben. Beide Örtlichkeiten haben sich demnach zu „Kriminalitätsbrennpunkten“ entwickelt.

Die richtige Auswahl an Videoüberwachungslösungen treffen

Zwei grundlegende Überlegungen haben für das zu entwickelnde Konzept eine zentrale Rolle gespielt. Zum einen sollen die durch die Videoaufzeichnung gewonnenen Aufnahmen sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung dienen. Und zum anderen soll die Einsatztaktik die erforderliche Technik bestimmen und nicht umgekehrt. Das bedeutet, Systeme von „der Stange“ sollte es nicht geben, sondern ein ausgeklügeltes Vergabeverfahren diente dazu, den bestmöglichen Anbieter für die spezifischen Erfordernisse der Polizei, die sich auch aus den komplexen, räumlichen Gegebenheiten der zu überwachenden Stellen ergeben, zu ermitteln.

Beispielsweise sind Straßenfluchten, Überbauungen, Bauwerke und Bäume mögliche Sichthemmnisse, die beim Einsatz der Videoanlage berücksichtigt werden müssen. Hierzu war es notwendig, die Anforderungen an die Technik, die notwendige Infrastruktur und an die Aufstellorte so präzise wie nötig im Vorfeld in einem Leistungsverzeichnis zu formulieren. Bei der Planung, der Ausschreibung, der Angebotsbewertung und der Betreuung der Baumaßnahmen war und ist das Ingenieurbüro Frank Kühn aus Rheinland-Pfalz maßgeblich beteiligt. Hierbei stellte das externe Ingenieurbüro die Übertragung des polizeilichen Einsatzkonzeptes in die Spezifikationen des technikoffenen Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung sicher.

Anfang 2019 wurde eine standardisierte „Teststellung“ für die teilnehmenden Anbieter eingerichtet, bei der sie für zwei Teilbereiche des späteren Überwachungsareals über einen Zeitraum von je fünf Tagen ihre technischen Lösungsansätze konkret präsentieren konnten. Anhand der detaillierten Auswertung zuvor festgelegter Bewertungskriterien wurde der Auftrag schließlich an das Unternehmen Encom Consulting vergeben, das sowohl Hard- als auch Software des Kameraherstellers Avigilon einsetzt.

Einsatzkonzept einer Videoüberwachungslösung muss überzeugen

Wenn alle Ausbaustufen des Projekts umgesetzt sind, werden schließlich bis zu 39 Kameras sogenannte „Hotspots“ in der Saarbrücker Innenstadt überwachen. Von diesen ist die Mehrheit mit Festoptiken ausgestattet, unterstützt von PTZ-Kameras (Pan-Tilt-Zoom-Kameras) und hemisphärischen Kameras. Die stationären Kameras erlauben hochauflösende Aufnahmen der überwachten Bereiche und deren Zu- und Abgänge, die PTZ-Kameras dienen der Detailaufnahme von anlassbezogenem Geschehen oder von bestimmten Personen. Zusätzliche hemisphärische Kameras verbessern mit einer Rundumsicht die Übersichtlichkeit und helfen den Videobeobachtern, Gefahrensituationen schnell zu erkennen. Die Kameras sind tag-/nachttauglich und liefern auch bei Dunkelheit oder schlechter Beleuchtung hochwertige Farbbilder.

In der Videobeobachtungszentrale (VBZ) laufen alle Bilder zusammen. Die Aufnahmen werden 14 Tage lang gespeichert, was wichtig ist, damit Personen auch im Nachhinein Zeit und Gelegenheit haben, Straftaten anzuzeigen und die Polizei auf etwaige tatrelevante Videoaufnahmen zurückgreifen kann. Das Besondere ist, dass eine Live-Beobachtung der Videobilder nicht rund um die Uhr stattfindet, sondern an „Belastungszeiten“ gekoppelt ist.

Grundlage für die Beobachtungszeiten ist eine statistische Auswertung der Einsatzzahlen und Straftaten mit den dazugehörenden Ereigniszeiten. Unabhängig von diesem Umstand können die Kamerabilder jederzeit anlassbezogen durch die rund um die Uhr besetzte Einsatzzentrale der Polizei und die örtlich zuständige Polizeiinspektion eingesehen werden. Darüber hinaus können die Beobachtungszeiten aber bei Bedarf – aufgrund von Zeit- oder auch Sofortlagen – angepasst werden.

Da beim Sicherheitskonzept die Gefahrenabwehr eine zentrale Rolle spielt, war es für die Polizei wichtig, auch weitere Komponenten in das Videoschutzkonzept mit zu integrieren. So ist der Standort am Hauptbahnhof etwa mit mehreren starken LED-Strahlern ausgestattet, die bei Bedarf aus der VBZ aktiviert werden können. Damit sollen Täter verunsichert, die Qualität der Videobilder soll auch bei ungünstigsten Lichtbedingungen weiter verbessert werden und die taghelle Ausleuchtung Opfern und Einsatzkräften mehr Sicherheit verschaffen. Ferner werden zusätzlich Druckkammerlautsprecher installiert, um potenzielle Täter oder Opfer durch die Polizei anlassbezogen direkt ansprechen zu können – auch das ist ein weiteres Mittel zur Gefahrenabwehr.

Den Faktor Mensch nicht vergessen

Großen Wert legt man bei der Landespolizei auf die Ausbildung der Personen, die die Videobilder beobachten und bewerten. Anders als in anderen Städten übernehmen diese Aufgaben keine Polizeibeamten, sondern speziell intensiv geschulte Mitarbeiter des Polizeilichen Ordnungsdienstes. „Der Hintergrund ist, dass wir Videobeobachter einsetzen wollen, die quasi unbelastet durch Erfahrungen oder Bilder im Kopf, die Aufnahmen sehen. Die Entscheidungen über polizeiliche Maßnahmen sind nach fachlicher Bewertung der Sachlage ausschließlich Polizeivollzugsbeamten vorbehalten“, erklärt Jörg Klein von der Projektgruppe.

Um die Videobeobachter auf ihre anspruchsvolle Tätigkeit vorzubereiten, nehmen sie an einer zweiwöchigen Zusatzqualifikation teil, in der ihnen beigebracht wird, Verhaltensmuster bei möglichen Tätern aber auch potenziellen Opfern zu erkennen. Hier fließen auch Erkenntnisse aus dem Awareness Training der Northern Business School in Hamburg ein, verbunden mit einem psychologischen Beobachtertraining zur „Neutralisierung“ von Vorurteilen.

Abgerundet wird die Ausbildung durch die Einweisung in die Videomanagementsoftware (VMS) von Avigilon, die sich unter anderem durch eine vergleichsweise einfache und intuitive Benutzerführung auszeichnet, was bei der Auswahl des Gesamtsystems der Landespolizei ebenfalls sehr wichtig gewesen ist. Die Videobeobachter sollen anhand der Live-Bilder zeitnah eine Situation einschätzen und es dem verantwortlichen Polizeibeamten in der VBZ ermöglichen, mit dem richtigen Kräfteansatz auf eine polizeiliche Lage reagieren zu können.

Enge Abstimmung zwischen Hersteller, Stadt und Polizei zu Gewährleistung des Datenschutzes

Das Landespolizeipräsidium ist zuversichtlich, mit dem Projekt die Sicherheit in der Landeshauptstadt nachhaltig zu verbessern. Dass das gelingt, hängt nicht nur von der Technik und dem zugrundeliegenden Einsatzkonzept ab, sondern auch von der Akzeptanz der Bürger, denn eine solche Maßnahme ist vor allem eine Herausforderung an den Datenschutz, diesen auch korrekt umzusetzen. Daher ist im Projekt frühzeitig das unabhängige Datenschutzzentrum über das Projektvorhaben unterrichtet und fortan anlassbezogen über Meilensteine informiert worden.

In enger Abstimmung sind unter anderem Fragen zu den überwachten Bereichen, der technischen Ausgestaltung, zu erforderlichen Maskierungen von überwachten Bildausschnitten ausschließlich der privaten Lebensführung vorbehaltener Bereiche und die konkrete Ausgestaltung von Transparenzräumen mit der Ausweisung durch Hinweisschildern erörtert und abgestimmt worden. Auf den gut sichtbaren Hinweisschildern wurde ein QR-Code aufgebracht, über den man weitere Informationen erlangt.

Fast ebenso wichtig wie die enge Abstimmung hinsichtlich des Datenschutzes war die Einbeziehung zahlreicher externer Partner, wie der Deutschen Bahn oder der Saarbahn, die Verantwortlichen für die Kamerastandorte und notwendige Infrastruktur, oder die Bundespolizei. Die Umsetzung eines komplexen Projekts wie der Videoüberwachung im öffentlichen Raum erfordert eine frühzeitige Einbindung direkt und mittelbar betroffener Stellen und Institutionen, um Probleme und Fragen, die sich aus dem fortschreitenden Konzept ergeben, gleich von Anfang an zu klären und die Technik dahingehend abzustimmen. Systeme „von der Stange“ werden in der Regel den komplexen und heterogenen Anforderungen solcher Projekte nicht gerecht. Die enge, vertrauensvolle Absprache zwischen Auftraggeber, beratendem Ingenieur, Errichter und dem Hersteller der Videotechnik ist der Schlüssel zum Erfolg.

Hendrick Lehmann, freier Mitarbeiter PROTECTOR


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