Was die Coronakrise für die Sicherheitswirtschaft bedeutet

Durch die Coronakrise brechen der Sicherheitswirtschaft Aufträge weg.

Die Coronakrise hat ganz Deutschland, auch die Sicherheitswirtschaft fest im Griff. Alle Bereiche sind davon betroffen. Bestehende Strukturen werden aufgebrochen. Was noch vor einem halben Jahr undenkbar war, ist nun Realität. Homeoffice zum Beispiel. Plötzlich geht es und wird großflächig angewandt. Und dennoch gibt es alte Zöpfe, die in der Kürze der Zeit noch nicht abgeschnitten worden sind.

Sicherheitswirtschaft ist Teil der Kritischen Infrastrukturen

Es ist ein Trauerspiel, dass der BDSW darauf hinweisen muss, dass auch die Sicherheitswirtschaft zur Kritischen Infrastruktur (Kritis) gehört, anscheinend wäre dies sonst niemandem eingefallen. Zwar ist dies schon seit längerem für die Geldversorgung akzeptiert.

Aber dass ohne die anderen circa 240.000 Mitarbeiter der Sicherheitswirtschaft insgesamt vieles im Argen liegen würde, ist offensichtlich in der Wahrnehmung der bundesdeutschen Bevölkerung und der Politiker noch nicht angekommen. Der am 25. März 2020 durch Klatschen geäußerte Dank des Bundestages galt nur „den Sicherheitsbehörden“, nicht jedoch der Sicherheitswirtschaft.

Kreative Stellenbezeichnung und Strafrechtsschutzversicherung

„Personenleitverkehrsregler“ lautet eine neue kreative Stellenbezeichnung. Damit werden die Mitarbeiter bezeichnet, die in den Supermärkten Zutritt und Verhalten der Kunden regeln. Mit diesem Begriff wird versucht, die fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz dieser Sicherheitsmitarbeiter zu umgehen. Ohne die Unterrichtung neuer Mitarbeiter durch die zuständige IHK dürfen keine neuen Mitarbeiter eingesetzt werden.

In vielen Regionen sind diese Schulungen durch die IHK zur Zeit nicht mehr möglich. Unternehmen, die dies „kreativ“ umgehen, sind gut beraten, es offensiv dem Ordnungsamt anzuzeigen, und damit den Ball an die Behörde zurückzuspielen. Ebenso sollte die Bezahlung dem tariflichen Entgelt für einen Sicherheitsmitarbeiter entsprechen. Sollte sich bei einer späteren Kontrolle herausstellen, dass nach Meinung des Ordnungsamtes oder des Zolls diese Mitarbeiter nicht hätten eingesetzt werden dürfen, dann bleibt der Ausgang des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens abzuwarten. Eine Strafrechtsschutzversicherung hilft den Unternehmen, die daraus resultierenden Aufwendungen abzusichern.

Personaleinsatz und Betriebshaftpflichtversicherung

Problematisch ist der steigende Krankenstand. Die Sicherheitsunternehmen versuchen dennoch, die geschuldeten Leistungen zu erbringen. Daraus können Schäden entstehen. So kann der Einsatz von ungeeigneten Mitarbeitern direkt zu Schäden führen, wenn zum Beispiel Toranlagen mangels richtiger Einweisung falsch bedient werden. Die Haftung ist dann häufig unstrittig. In vielen Fällen wird die Betriebshaftpflichtversicherung solche Schäden auch bei ungeeigneten Mitarbeitern tragen. Wurde der Mitarbeiter allerdings aufgrund einer Anweisung oder mangelhafter Kontrolle durch einen Repräsentanten eingesetzt, so kann es sich um eine Obliegenheitsverletzung handeln, die den Haftpflichtversicherer leistungsfrei machen kann.

Prüfung der Versicherungssumme für Vermögensschäden in der Coronakrise

Aber auch mit Covid-19 infizierte Mitarbeiter können einen Schaden verursachen. Wenn ein infizierter Mitarbeiter bei einem Auftraggeber eingesetzt wird und dieser danach eine Desinfektion seiner Liegenschaft auf Kosten des Sicherheitsunternehmens verlangt, handelt es sich um einen Vermögensschaden.

Ob in diesem Fall eine Haftung besteht, muss im Einzelfall geprüft werden, regelmäßig wird dies nicht der Fall sein. Relevant ist jedoch, ob und in welcher Höhe Versicherungsschutz besteht, da darunter auch die Abwehr von unberechtigten Ansprüchen fällt. Vermögensschäden sind in vielen Verträgen mit Summen im Millionenbereich versichert. Leider sind gerade die Schäden aus mangelhaft erbrachten Leistungen, um die es hier geht, in der normalen Betriebshaftpflichtversicherung ausgeschlossen.

Versicherungsschutz besteht für die Sicherheitsunternehmen nur über die Position der Vermögensschäden nach § 14 BewachV. Da es sich um eine Pflichtversicherung handelt, darf der Versicherer dafür keine Ausschlüsse vornehmen. Viele Unternehmen haben nur Versicherungsschutz in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe von 12.500 EUR.

Dieser Mangel der Deckung ist ihnen oftmals nicht bewusst. Die für diese und ähnliche Fälle erforderliche Versicherungssumme sollte nicht weniger als 250.000 EUR gemäß DIN 77200-1 betragen. Genau hinsehen ist angeraten, denn die üblichen Versicherungs-Zertifikate und selbst die Policen selbst sind in diesem Punkt für viele Prüfer irreführend. Die dort angegebene hohe Versicherungssumme für Vermögensschäden ist inhaltsleer und hilft im Schadenfall nicht.

Kosten sparen und Schadenablehnungen hinterfragen

Schon jetzt, aber mehr noch nach der Krise, werden die Unternehmen aufgrund gefallener Einnahmen und Gewinne die Kosten reduzieren. Je nach Auftragslage können hier zum Beispiel Fahrzeugstilllegungen helfen, die Versicherungsbeiträge und Leasingraten sparen helfen. Die Stundung von Versicherungsbeiträgen oder die Umstellung auf monatliche Zahlweise ohne Ratenzahlungszuschläge sind weitere Maßnahmen, die finanziellen Spielraum verschaffen.

Problematisch ist die Reduzierung des Deckungsumfangs oder die Kündigung von Versicherungen. Dies kann zwar kurzfristige Erleichterung verschaffen, aber mittelfristig bei nicht versicherten Schäden den Ruin des Unternehmens nach sich ziehen. In jedem Fall ist es sinnvoll, spätestens im dritten Quartal 2020 das Versicherungsportfolio insgesamt wieder zu überprüfen und alle Inhalte und Kosten zu hinterfragen.

Unabhängig davon sollten sich die Sicherheitsunternehmen bei Schäden, in denen der jeweilige Versicherer seine Leistungspflicht verweigert, nicht abwimmeln lassen. Oft geschieht dies im Zuge der standardisierten Massenbearbeitung durch Mitarbeiter, welche die spezifischen Fragestellungen der Sicherheitswirtschaft und die Besonderheiten der Pflichtversicherung nicht kennen und deshalb falsche Entscheidungen treffen. Und dabei ist zu berücksichtigen, dass einer der drei großen deutschen Versicherer alleine mit Schadenzahlungen von mehr als 1,5 Mrd. EUR infolge von Covid-19 rechnet, was nicht zu gesteigerter Regulierungsfreude beitragen wird.

Bernd M. Schäfer, Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienste GmbH