Wie Holzgebäude und Brandschutz zusammen passen

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Eine großzügige Dimensionierung tragender Elemente ist ein wichtiges Merkmal im Holzbau.

Auch hinter Holzgebäuden muss ein Brandschutzkonzept stehen. Vor allem hinter diesen, möchte man meinen. Denn Holz ist nicht nur brennbar, Gebäude aus diesem Baustoff werden auch immer beliebter und werden inzwischen in vielen Ausführungen überall auf der Welt errichtet. Büroimmobilien, Verwaltungsgebäude und Mischeinheiten zum Leben und Arbeiten gibt es dabei immer häufiger auch als mehrgeschossige Ausführungen, bis hin zur Gebäudeklasse 5 in Deutschland (Höhe größer 13 Meter). Holzkonstruktionen gelten als ökologisch nachhaltig, umweltschonend und energetisch sehr wirtschaftlich. Dennoch hat sich in Deutschland die Holzbauweise noch nicht flächendeckend und planungstechnisch so durchgesetzt, wie sich das viele Architekten wünschten. Bilder der Kathedrale Notre-Dame mit ihrem brennenden Dachstuhl aus Holz 2019 mögen zwar zunächst offenkundige Nachteile des Baustoffs medienwirksam gezeigt haben, aber bei objektiver Betrachtung verfügt Holz im Brandschutz über zahlreiche Vorteile auch gegenüber anderen Materialien.

Baustoff Holz ist nicht gefährlicher als andere

Der bauliche Brandschutz dient in erster Linie dem Personen und Sachschutz. Hieraus ergeben sich die wesentlichen Anforderungen an den Brandschutz. Dabei ist zu beachten, dass brennbare Baustoffe wie Holz nicht automatisch das Brandrisiko in einem Objekt erhöhen oder für das Erreichen der Schutzziele ungeeignet sind. Insofern sind immer die objektspezifischen Anforderungen bei der Brandschutzplanung zu berücksichtigen, sodass etwa Holz im konkreten Anwendungsfall in der Gesamtbetrachtung geeigneter sein kann als andere, per se nicht brennbare Baustoffe. Entscheidend ist dann nicht der einzelne Baustoff, sondern sind das Brandverhalten der Gesamtkonstruktion und der Feuerwiderstand der einzelnen Bauteile. Relevant für die Betrachtung sind die Tragfähigkeit (Kriterium R – Résistance) sowie der Raumabschluss (Kriterium E – Étanchéité) und der Temperaturdurchgang oder Hitzeleitfähigkeit (Kriterium I – Isolation).

Wenn Holz brennt, entsteht zunächst eine Kohleschicht (Nachbrand). „Diese Holzkohlebildung lässt sich gut kalkulieren. Um etwa 0,7 Millimeter pro Minute erweitert sich die Holzkohleschicht im Brandfall. Zudem leitet Holz im Vergleich zu Stahl Hitze nur schlecht und dehnt sich auch nicht aus, was Holz eine hohe Formstabilität verleiht“, erklärt Reinhard Eberl-Pacan Vorsitzender des Vorstands Bundesvereinigung Fachplaner und Sachverständige für den vorbeugenden Brandschutz e.V. Durch die entsprechende Dimensionierung des Holzquerschnitts lassen sich Feuerwiderstände in F60 oder sogar F90 realisieren, da genau berechnet werden kann, wie viel „Schicht“ höchstens abbrennen darf, bevor die Stabilität gefährdet ist. Dies ist gerade für die Feuerwehr relevant, die Löscharbeiten und Rettungsmaßnahmen durchführen muss und sich in einem brennenden Gebäude immer der Gefahr nichtragender oder nachgebender Konstruktionen aufgrund von Hitze und Feuer ausgesetzt sieht. Daher sind Holzbauten auch in der Gebäudeklasse 5 umsetzbar, solange die Schutzziele und der Feuerwiderstand nachweislich erreicht werden.

Beispiel Verwaltungsgebäude Stadtwerke Lübeck

Die Stadtwerke in Lübeck haben 2015 ein neues Verwaltungs- und Bürogebäude erhalten, das in Holzbauweise ausgeführt worden ist. Im Auftrag des Totalunternehmers, der Ed. Züblin AG, erbrachte die PBR AG die Genehmigungs- und Ausführungsplanung. Das Gebäude verfügt über 256 Büros, Konferenz- und Seminarräume sowie ein Service-Center und ein Restaurant auf vier Geschossen. Das Gebäude besteht aus zwei zueinander liegenden L-förmigen Baukörpern, die einen Innenhof umschließen. Brücken verbinden die beiden Gebäudeteile miteinander. Auch wenn Holz der vorherrschende Baustoff bei der Realisierung ist, so sind aus statischen und brandschutztechnischen Gründen einige Elemente in Stahlbetonbau ausgeführt. Dazu gehören die vier Treppenhäuser, der Gastronomiebereich sowie die Teilunterkellerung.

Um wirkungsvolle Brandabschnitte zu erzielen, sind die Gebäudeflügel durch gebäudehohe Wandscheiben in Stahlbeton in je drei Brandabschnitte untergliedert, womit jeder Abschnitt eine Länge von weniger als 40 Meter hat.

Foto: Ulrich Hoppe

Das neue Verwaltungsgebäude der Stadtwerke Lübeck besteht überwiegend aus Holz

Ferner sind durch raumabschließende Trennwände mit entsprechendem Feuerwiderstand kleinere Nutzungseinheiten von weniger als 400 Quadratmetern geschaffen worden. Wichtig war dem Auftraggeber, dass an möglichst vielen Stellen die Holzoptik zum Tragen kommt, was bedeutet, dass die erforderliche Verkapselung von Holzelementen mit nichtbrennbaren Materialien nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Dies ließ sich für die Decken-, Stützen- und Trägerquerschnitte durch eine Überdimensionierung des Tragwerks realisieren, womit durch den Abbrand der Querschnitte der erforderliche Feuerwiderstand F60 nachgewiesen werden konnte. Im Brandfall würde also genügend „gesundes“ Holz lange genug verbleiben, damit die Konstruktion über den geforderten Zeitraum hinweg stabil bleibt. Auf eine Besprinklerung des Gebäudes konnte aufgrund des durchdachten Brandschutzkonzepts verzichtet werden.

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Holzgebäude und Brandschutz – eine Frage der Richtlinien?

Das Beispiel zeigt, wie effizienter und objektspezifischer Brandschutz sich auch in komplexeren Holzbauten durchaus realisieren lässt. Dennoch ist hierzulande immer noch kein einheitlicher Umgang mit dem Baustoff in den verschiedenen Gebäudeklassen zu beobachten. Die in der Musterbauordnung (MBO) 2002 (Zuletzt geändert 22.02.2019) in § 26 Abs. 2 geforderte „brandschutztechnisch wirksame Bekleidung“ ist in der „Holzbaurichtlinie“ M-HFHHolzR (2004) genauer ausgeführt. Demnach muss die Bekleidung oder auch Verkapselung eine Entzündung der „tragenden einschließlich der aussteifenden Bauteile aus Holz oder Holzwerkstoffen während eines Zeitraumes von mindestens 60 Minuten verhindern“. Gerade in den höheren Gebäudeklassen 4 und 5 sind mit diesen Maßnahmen oftmals aufwendige Mehrkosten verbunden und der ästhetische Nutzen bleibt auf der Strecke.

Die überdimensionierte massive Ausführung von Tragwerken aus Brettschichtholz oder Brettsperrholz weist auch keine Hohlräume aus, in denen sich Schwelbrände weiter fortsetzen könnten, weswegen eine Bekleidung dieser Elemente eigentlich unnötig ist. Zumindest einige Bundeländer haben in ihren Landesbauordnungen der jüngeren Entwicklung Rechnung getragen. So hat etwa Baden-Württemberg bereits 2015 den entsprechenden Paragrafen geöffnet. Dort heißt in § 26 Abs. 3, dass „tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hochfeuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, aus brennbaren Baustoffen zulässig sind, wenn die hinsichtlich der Standsicherheit und des Raumabschlusses geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen und die Bauteile und ihre Anschlüsse ausreichend lang widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung sind“.

Auch die Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen haben eine ähnliche Regelung, wohingegen Hamburg sich mit Erleichterungen ausschließlich auf die massive Holzbauweise konzentriert und Konstruktionen wie Holzrahmen- oder Holzskelettbauweisen dafür wieder nur gekapselt zulässig sind. Daneben ist festzustellen, dass es für viele Bauprodukte wie Türen, Brandschutzklappen oder Abschottungen keine Zulassungen für den Einsatz in Gebäuden in Holzbauweise gibt. Gibt es für solche Produkte keine technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik werden die für die Anwendung erforderlichen Übereinstimmungsnachweise auf Basis der MBO erstellt. Die dort aufgeführten Bauteile sind aber nur als feuerbeständiger oder hochfeuerhemmender gekapselter oder nichtbrennbarer Baustoff zulässig. Die Zulassungen von Feuer- und Rauchschutzabschlüssen enthalten daraus resultierende Anforderungen an umgebende Bauteile wie Wände oder Decken, die durch die Neuerungen in den LBOs einiger Länder aber nicht abgedeckt sind.

Holzbau hat noch Hürden zu nehmen

Der Holzbau in Deutschland hat trotz einiger Fortschritte und Vorzeigeobjekten wie das Gebäude der Stadtwerke in Lübeck noch einen weiten Weg vor sich. „Es wäre einfacher. Die Eigenschaften wie die Brennbarkeit von Holz zu akzeptieren und mit ihnen zuarbeiten, als diese mit anderen Maßnahmen zu umgehen“, so Eberl-Pacan. Holz verfügt gerade in der Massivbauweise über viele positive Eigenschaften, die seinen Einsatz nicht nur aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern auch im Sinne des Brandschutzes sinnvoll machen. Andere Länder sind da bereits ein Stück weiter. So ist das Holz-Hochhaus Mjøstårnet in Norwegen mit 81 m derzeit das höchste Holzhochhaus weltweit. Auch dort Ist der Brandschutz des Tragwerks über die Überdimensionierung der Brettschichtholz-Fachwerkträger und Stützen und Träger im Innern erfolgt. Das Haupttragwerk ist so konstruiert, dass es über 120 min feuerwiderstandsfähig ist, das Nebentragwerk und die Stockwerke weisen einen Feuerwiderstand in F90 aus. In Tests wurde die Stabilität der Brettschichtholz-Stützen im Brandfall nachgewiesen.

Das Beispiel zeigt, dass Im Holzbau durchaus noch Luft nach oben ist, auch in Deutschland. Voraussetzung ist eine Harmonisierung des LBOs und eine Holzbaurichtlinie, die aktuelle Entwicklungen in Forschung und Technik berücksichtigt und Planern, Architekten und Errichtern mehr Sicherheit bei den Ausführungen bietet.


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